Reiseziel 2022:
Ein Besuch in Grasse
Das französische Städtchen Grasse liegt etwas nördlich von Cannes an der französischen Riviera, eingebettet in den Hügeln zwischen Meer und Gebirge. Das Umland der bezaubernden Parfumstadt mit mediterranem Charme ist in den Sommermonaten ein einziges Blütenmeer: Zitrusfrüchte, Lavendel, Jasmin, Rosen, Mimosen – so weit das Auge reicht. Doch nicht nur die Farbenpracht beeindruckt die Reisenden, sondern auch der betörende, herrliche Duft, der in die Welthauptstadt des Parfums lockt. Wer einen Ausflug in diese Region macht, darf einen Besuch in Grasse nicht versäumen! An keinem anderen Ort der Welt erfährt man so viel Inspirierendes und Informatives über die Welt der Düfte und die Herstellung von Parfum. Und fast nirgendwo lässt sich so schön und authentisch Parfum einkaufen.
Es war einmal ein Mädchen und eine Narzisse…
Das Städtchen Grasse hat eine lange Tradition und Geschichte, die eng mit der Liebe zum Duft verbunden ist. Bereits im Mittelalter sollen Frauen und Mädchen in den Hügeln rund um die Stadt aus Blütenstaub von Narzissen, Rosen und Myrten Duftkissen und Riechsalze hergestellt haben. Der damals ortsansässige Handschuh-Fabrikant kooperierte mit den Frauen, als in höheren Adelskreisen das Tragen von parfumierten Handschuhen en vogue wurde. Der Grund? Das gegerbte Leder hatte einen sehr penetranten, unangenehmen Geruch. Zu dieser Zeit gab keine Geringere als Katharina de Medici (Prinzessin von Urbino und eine der einflussreichsten Damen und Stilikonen jener Zeit) die Anregung, in Grasse Parfum herzustellen, und legte damit den Grundstein einer Milliarden-Industrie. 1792 wurde die offizielle Konzession zur Parfumherstellung erteilt, und eine Legende nahm ihren unaufhaltsamen Lauf. Ein großer Förderer der Parfumproduktion in Grasse war übrigens Ludwig XIV., der den Wunsch hegte, Zitronen und Olivenhaine rund um die Stadt anzupflanzen und die ersten Gewächshäuser für die Zucht seltener exotischer Pflanzen zu errichten. So war es möglich, Pflanzen aus fernen Ländern wie Indien, Persien und arabischen Staaten zu importieren, heranzuzüchten und zu verarbeiten.
Von kleinen Werkstätten zu großen Fabriken und Weltruhm
Zum Ende des 18. Jahrhunderts wurden die vielen kleinen Parfumwerkstätten vom Stadtkern an den Stadtrand verlegt. Dort standen zu dieser Zeit einige Kloster leer – die idealen Bedingungen und Gebäude für eine Expansion, die Grasse den Ruf einer international renommierten Parfumindustrie einbrachte. Innerhalb der nächsten Jahre setzten die beheimateten Parfumeurinnen und Parfumeure ihren Schwerpunkt nicht mehr auf die Komposition von neuen Duftkreationen, sondern auf die Rohstoffgewinnung. So hat der bedeutende Anbieter für natürliche Riechstoffe, Robertet, seinen Hauptsitz in Grasse. Auch der größte Händler der sogenannten Naturals, der Riechstoffproduzent Firmenich, hat hier eine Produktionsstätte zur Verarbeitung von Rosen und anderen lokal angebauten Blüten. Spezielle traditionelle Verfahren wie Destillation, Expression und Extraktion sowie die höchst aufwendige und in Grasse perfektionierte Enfleurage werden bis heute angewendet.
Parfums wie von damals heute shoppen
Viele bekannte französische Parfummarken haben sich in Grasse gegründet oder haben sich dort in bester Gesellschaft niedergelassen – zum Beispiel Houbigant, Molinard und Galimard. Die imposante Villa eines der ersten in Grasse gegründeten Dufthäuser, Fragonard, kann aktuell besichtigt werden. Einige der Marken „de Grasse“ sind noch heute mit einem hübschen Geschäft, etwa am Boulevard Victor Hugo, zu finden. Auch die traditionellen Fabriken sowie einige moderne Produktionen sind für Besucher zugänglich.
Das Internationale Parfummuseum erzählt von der Antike bis heute
Wer sich dem Thema Parfum besonders intensiv widmen möchte, sollte das Internationale Parfummuseum besuchen. Mehrere hundert Ausstellungsgegenstände, darunter auch viele nostalgische Gerätschaften, zeigen die Kulturgeschichte der Parfumherstellung in Grasse und der Duftgeschichte von der Antike bis in die Gegenwart. Sogar das Reise-Necessaire von Marie Antoinette ist zu bestaunen. Ebenso sind zwei funktionsfähige Labore aufgebaut, in denen Besucher unter Anleitung oder selbstständig aktiv werden können – zum Beispiel beim „Odoromat“, einem Geruchsspiel, oder bei der Kreation eines Parfums an der Duftorgel. Auf dem Dach des Museums steht ein Gewächshaus, in dem Pflanzen wie Jasmin, Tuberose, Patschuli, Vanille und Vetiver wachsen. Die Pflanzen werden auch im getrockneten und verarbeiteten Zustand präsentiert, sodass Besucher ein besseres Verständnis vom Weg der Pflanze bis hin zum Duftöl oder Extrakt bekommen. Anfassen ist übrigens erlaubt!
Rosenausstellung im Mai, Jasminfest im August
Wer seinen Besuch in der Welthauptstadt des Parfums besonders sinnlich gestalten möchte, kann im Mai zur „Expo Rose“ anreisen. Bei dieser jährlichen Ausstellung werden circa 40.000 Rosenarten und daraus hergestellte Kosmetikprodukte präsentiert. Anfang August, wenn die Jasminsträucher blühen, wird in Grasse die „Fête du Jasmin“, das Jasminfest, mit allerlei Attraktionen gefeiert. Grasse ist zu jeder Jahreszeit sehenswert und für Duftliebhaber ein Muss auf der Bucket-List. Wer noch ein bisschen auf eigene Faust entdecken möchte, sollte sich nach einem terracottafarbenen Landhaus mit grauen Schlagläden in den Hügeln am Rande der Stadt umsehen. Dort hat der Luxusmodekonzern und Eigner einiger berühmter Parfumlabels, die LVMH-Gruppe, sein Kreativzentrum für Düfte errichtet. Im nahegelegenen Château de La Colle Noire hatte Modeikone Christian Dior seinen letzten Wohnsitz. Er fühlte sich dort „gleichermaßen als Couturier und Parfumeur“…
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