DUFTSTARS ICONIC FRAGRANCES

Olfaktorische Kunstwerke – Parfums, die Geschichte schrieben

Während jedes Jahr neue Parfums auf den Markt kommen, die die Grenzen dessen, was modern ist und im Trend liegt, verschieben, bleiben einige wenige Düfte, die mittlerweile zu Legenden geworden sind, unsterblich wie ein Kunstwerk bestehen. So werden diese seltenen Perlen im Meer (der mehr als 50.000 Parfums, die derzeit im Umlauf sind) seit Jahrzehnten, ja sogar seit Jahrhunderten hergestellt und dennoch haben sie bis heute ihre Faszination nicht verloren. Wer sind diese Duft-Ikonen? Worin liegt die Besonderheit dieser unverwechselbaren Klassiker, die sorgfältig aufbewahrt und in Vitrinen ausgestellt werden? Mache mit uns eine kleine Reise in die Vergangenheit einiger zeitloser Parfums, die unsere Eitelkeiten im Laufe der Jahre geschmückt haben und lerne die Düfte kennen, die Geschichte schrieben und immer noch die begehrtesten (flüssigen) Accessoires der Welt sind.

Guerlain – JICKY

Symbol einer neuen Ära

Die Kreation von Jicky ist untrennbar mit der Geschichte der Familie Guerlain verbunden. Nach dem Tod von Pierre François Pascal Guerlain, dem Gründer des Hauses, im Jahr 1864 wurden die Aufgaben der Unternehmensführung und der Parfumherstellung zwischen seinen Söhnen Gabriel und Aimé Guerlain aufgeteilt. Während Gabriel als Geschäftsmann für die wirtschaftliche Entwicklung des Hauses verantwortlich war, kümmerte sich Aimé Guerlain um die Kreation neuer Parfums.

Der Meisterparfumeur liebte es, mit Traditionen und Trends zu brechen und die Konventionen immer wieder aufs Neue herauszufordern. Seine Passion gipfelte im Jahr 1889 mit der Herstellung eines Duftes, der als eine der ersten „modernen“ Kreationen gilt, sowohl in Bezug auf die Verwendung synthetisch gewonnener Moleküle als auch im Hinblick auf die Tatsache, dass er für Frauen und Männer war und damit eine wesentliche Rolle in der Evolution des Gender-Marketings spielte. Mit der Einführung von Jicky hielt der uns heute bekannte Begriff Unisex Einzug in die Parfümerie. Tatsächlich wurde Jicky ursprünglich als Herrenduft vermarktet, bevor sich das Unternehmen aufgrund der schlechten Verkaufszahlen dazu entschloss, ihn auch als Damenduft zu verkaufen. Als Unisex-Duft wurde er zum Hit. Diese Zweideutigkeit wurde sogar zu einem Teil der Identität von Jicky und wird noch immer in der offiziellen Beschreibung des Parfums erwähnt. Seine berühmtesten Träger waren Sean Connery und Brigitte Bardot.

Jicky war mutig und kühn. Es ging bei der Kreation des Duftes nicht darum, die Natur zu imitieren. In einer Zeit des Aufbruchs als Impressionisten, die Natur nicht mehr so darstellen wollten, wie sie ist, sondern, wie sie sich anfühlt, sollte Jicky das erste Parfum sein, das Emotionen weckt und nicht nur an Blumen erinnert. Ein Ansatz, der auch für die Namensgebung galt: Die Legende besagt, dass sich Aimé Guerlain während seines Chemiestudiums in England in ein Mädchen namens Jicky verliebte. Der Parfüumeur musste jedoch allein nach Frankreich zurückkehren. Der Schmerz der Trennung brach ihm für immer das Herz. All die unerfüllten Gefühle und Träume drückte er also in dieser Duftkomposition aus. Wahrscheinlicher ist aber, dass der kinderlose Junggeselle Guerlain das Parfum nach seinem ihm über alles geliebten Neffen – Jacques, von der Familie liebevoll Jicky getauft – benannt hat.

Manche definieren den Duft gar als das erste Beispiel für das, was später als „Guerlainade“ bekannt wurde – das charakteristische Element in der Basisnote, das bis heute in fast allen Kreationen des Hauses zu finden ist und das oft einfach als eine leicht pudrige Vanille-Tonka-Süße beschrieben wird. Es sind genau diese zarten Vanilletöne, die Guerlain damals vor ein einzigartiges Problem stellten: Während die meisten Essenzen des aromatischen Fougère-Duftes (u.a. Lavendel, Bergamotte, Rosmarin, Iris und Rosenholz) in einem Standardverfahren dampfdestilliert wurde, war echte Vanille ein teurer und eher schwacher Extrakt. Also suchte er nach einer Alternative und fand sie in synthetischen Vanillin-Molekülen. Diese waren nicht nur billiger bei der Herstellung, sondern auch süßer und cremiger im Duft als die natürliche Essenz. Zusammen mit Cumarin – synthetische Komponente, die erstmals vom Parfumeur Paul Parquet für das Haus Houbigant extrahiert wurde – bildete die Vanille in Kombination mit den anderen Noten des traditionellen Guerlain-Bouquets ein unvollkommenes Gleichgewicht, das den Duft bis heute so sinnlich und faszinierend macht.

Eine weitere von Aimé Guerlain eingeführte Innovation ist die Struktur des Parfums. Zum ersten Mal wurde ein Duft nach der Duftpyramide aufgebaut, in der die Kopf-, Herz- und Basisnoten enthalten sind. Damit verwischte dieser Duft die Grenzen zwischen einer einfachen Parfumkomposition und ewiger Kunstfertigkeit und wurde zum Symbol einer neuen Ära in der Welt der Düfte. Nicht zuletzt auch dank eines Flakons, der im Laufe der Zeit gleich mehrmals sein Antlitz wandelte: Dabei ist die berühmteste der fünf Jicky-Varianten der vierblättrige Flakon von 1908, der kürzlich für Mon Guerlain mit Angelina Jolie neu aufgelegt wurde. Daneben gibt es heute nur noch den einer Medizinflasche des 19. Jahrhunderts nachempfundenen Jicky Flakon mit einem Verschluss im Stil eines Champagnerkorkens.

Chanel N°5

Der Duft aller Düfte

Angefangen von der perfekten Mischung von Inhaltsstoffen, die sich in ein olfaktorisches Paradigma und eine Erinnerung verwandeln können, über das zeitlose Design des Flakons, der das ausdrückt, was der Duft sagen will, bis hin zur richtigen Muse, die jenseits von historischen Epochen und Moden das Parfum vollkommen repräsentiert: Ein ikonisches Parfum zu kreieren, ist eine ziemlich schwierige Aufgabe! Dennoch ist es jemandem gelungen. Chanel N°5 von Coco Chanel gehört nach wie vor zu einem der meistverkauften und meist getragenen Parfums der Welt. Es ist das Sinnbild für ein Parfum, das wie eine Handtasche oder ein Schmuckstück zum Modeaccessoire geworden ist. In 2021 wurde er 100 Jahre alt, ein Grund mehr hinter die Kulissen des Kultparfums zu blicken.

Ihren ersten zarten Kontakt mit der Welt der Düfte hatte Gabrielle Coco Chanel im Zuge eines privaten Traumas im Jahr 1919 (ihre große Liebe, der Polospieler Boy Chapel, starb bei einem Autounfall) als eine enge Freundin ihr anriet, sich mit der Kreation eines Parfums abzulenken. Ergriffen von der neuen Leidenschaft, begannen in diesem Moment die Forschung und das Experimentieren mit Essenzen für Coco und setzten sich im Laufe der Jahre mit einer energischen Gewissheit fort: So ist es kein Wunder, dass nur zwei Jahre später, im Jahr 1921, das wohl legendärste Parfum der Welt – Chanel N°5 – geboren wurde.

Um den Stil ihres Hauses zu repräsentieren, wollte sie einen Duft, der sich von den bis dahin produzierten Düften unterschied: „Ich will keinen Rosenduft oder Maiglöckchenduft, ich will ein kunstvolles Parfum“, soll sie dem Parfümeur Ernest Beaux, ein schneidiger Moskauer aus der vorrevolutionären Zeit, gesagt haben, bevor dieser mit der Kreation ihres Parfums begann. Beaux war kein erfahrener Parfümeur, sondern eine wenig bekannte Nase, die Gabrielle durch ihren Geliebten, den Großfürsten Dmitri Pawlowitsch Romanow, kennengelernt hatte. Was dem Parfum Newcomer an Erfahrung mangelte, glich er aber durch Innovationsgeist aus – Beaux schuf einen damals bahnbrechenden Cocktail aus über 80 Inhaltsstoffen. Dabei soll ihm ein „glücklicher” Fehler unterlaufen sein. So mischte Beaux irrtümlich mehr Aldehyde bei, als Coco Chanel verlangte (fast 1 %). Die daraus resultierende Überdosis gefiel der Modezarin aber ausgesprochen gut und so wurde es Teil ihrer begehrten Formel. Chanel N°5 verbindet natürliche (vor allem Jasmin und Rose) und synthetische (Aldehyde) Essenzen auf eine ausgesprochen unvergleichliche Weise: Der Duft ist völlig anders als jedes andere Parfum, angenehm und künstlich zugleich und nicht auf eine bestimmte Blume zurückzuführen. Der Name des Parfums basiert übrigens auf der Tatsache, dass es die fünfte Version von Beaux war, welche schlussendlich die Nase der Designerin überzeugte. Und dann war da noch der minimalistische Flakon, der 1921 schlicht wie eine Laborflasche daher kam und erst seit 1930 dem Klassiker von heute ähnelt. Das Design ist eine direkte Anlehnung an Art Deco und eine kühne Widerlegung der verschnörkelten, betont „weiblichen“ Flakons, die zu dieser Zeit allgegenwärtig waren. Eine Parallele, die auf den Grundgedanken von Chanels Mode basiert – damals schlichtweg revolutionär und stark beeinflusst von Strand- und Sportmode, standen ihre Kreationen für die Befreiung der Frauen von zu viel Stoff und überflüssigen Accessoires.

Seit 1921 ist die Rezeptur fast unverändert geblieben, jedoch im Laufe der Zeit an die neuen Herausforderungen und Gegebenheiten der Moderne angepasst worden. Auch wenn Chanel N°5 nicht mehr genauso riecht wie 1921, so ist und bleibt der Duft einer der Vorreiter, welcher den Zeitgeschmack der Kenner und Liebhaber stets trifft.

Thierry Mugler – ANGEL

Der Mythos

Thierry Mugler war in der Modewelt schon immer als kreativer Revolutionär bekannt. Als er 1992 seinen ersten Duft Angel auf den Markt brachte, machte er diesem Ruf alle Ehre, denn so etwas hatte man noch nie gesehen und noch nie gerochen! Eine gewagte Provokation, welche die erstarrten Konventionen in der Welt der Parfümerie durchbrach.

„Ich wollte schon immer ein Parfum kreieren, das für alle die gleiche Resonanz hat...

– Thierry Mugler

und das sehr eng mit Zärtlichkeit und Kindheit verbunden ist. Mit diesem Parfum wollte ich ein derart sinnliches Verlangen ausdrücken und eine so sinnliche Nähe erzeugen, dass man fast Lust verspürt, den Menschen, den man liebt, zu vernaschen.“ [Thierry Mugler]

Angel entstand aus den Erinnerungen Muglers an einen Jahrmarkt in seiner Kindheit und offenbart die Genialität seiner entfesselten Vorstellungskraft, seinen Mut, Grenzen zu überschreiten und seine kühne Maßlosigkeit. Um den Duft zu kreieren, wandte sich der Designer an Jacques Courtin-Clarins, den Chef des berühmten Clarins-Imperiums für Hautpflege und Parfum. Er sollte als Partner die Marke Mugler durch einen Duft zum Leben erwecken. In Zusammenarbeit mit den Parfüumeuren Olivier Cresp und Yves de Chirin entstand dann ein unnachahmliches Parfum, dessen Duft niemanden gleichgültig lässt. Zum ersten Mal in der Geschichte des Parfums verzichtete man weitgehend auf florale Noten, um das Bouquet zu kreieren, und konzentrierte sich stattdessen auf „schmeckbare” Noten wie Praliné, roten Beeren und Vanille. Die ungewöhnlich hohe Konzentration von holzigem Patchouli, um den Duft nicht zu süß werden zu lassen, war die Idee von Chiris, der wusste, dass er ein Gegengewicht zu Zuckerwatte, Karamell und Schokolade brauchte. Angel war damit das erste Gourmand-Parfum überhaupt und legte so den Grundstein für die Gourmand-Duftfamilie.

Und wenn schon die Duftnoten etwas Besonderes waren, so war es der Flakon, der den letzten Anstoß zum ewigen Ruhm gab. Der berühmte fünfzackige Stern, von Mugler selbst entworfen, ist aber keine zufällige Form: In seinen Zwanzigern wurde er von einer Wahrsagerin darauf hingewiesen, dass der Stern auf seiner Handfläche nicht nur ein Zeichen für Erfolg sei, sondern auch eine Form, die er in all seine Arbeiten einbauen solle, um weiterhin Glück zu garantieren. Gut zwei Jahre benötigte Mugler, um einen Glasmachermeister zu finden, der ihn herstellen wollte. Schließlich nahmen die Verreries Brosse die Herausforderung an und entwickelten ein exklusives, halb handwerkliches Verfahren zu seiner Herstellung: Jedes Exemplar ist ein Unikat, aber alle Sterne sind identisch – eine weitere Besonderheit dieses Parfums. Außerdem sind die Flakons nachfüllbar, um der Umwelt zu helfen, den Trend zu nachhaltigem Luxus zu starten und das Wegwerfen der wunderschön gestalteten Kristallflaschen zu verhindern.

Auch die Werbekampagnen mit bekannten Testimonials wie beispielsweise Jerry Hall und Amy Wesson, die anfänglich von Mugler selbst fotografiert wurden, waren auf ihre Weise ikonisch. Der damalige Kreativdirektor des Hauses, Christophe de Lataillade, überwachte alle Kampagnen, darunter die Werbung von 1992 mit Estelle Lefébure, die von der Kante eines Wolkenkratzers in Manhattan hängt, und die von 2008 mit einer heimlich schwangeren Naomi Watts.