Edle Blüten in Parfums

EINBLICKE

Florale Parfums lassen nicht nur so manch schöne Erinnerung an einen lauen Frühlingstag oder eine warme Sommernacht wieder aufleben, sondern sind vorrangig eine Hommage an die beliebtesten Rohstoffe der Parfumerie: Blumen! So enthalten die Essenzen der Parfumeure mitunter die wertvollsten Blumen, aus denen später faszinierende Duftkompositionen entstehen. Einige dieser Blumen blühen nur einen Monat im Jahr. Andere müssen vor Sonnenaufgang gepflückt werden. Fast alle sind empfindlich und verlieren ihre frischen, verführerischen oder üppigen Noten schon kurz nach der Ernte. Welche sind diese exklusiven Blumen, die den edelsten floralen Parfums der Welt Körper, Charakter und Einzigartigkeit verleihen? Tauche ein in die verführerisch duftenden Gärten der Natur und entdecke mit uns die begehrtesten Blumen der Welt.

Warum kosten manche Parfums so viel? Was macht sie so besonders? Die Antwort auf beide Fragen liegt in den Inhaltsstoffen: Je seltener ein Inhaltsstoff ist, desto teurer und kostbarer ist auch das Duftwasser. Einfach einzigartig, gehört etwa die schwarze Nelke aus den Tiefen der australischen Wälder zu den wertvollsten Rohstoffen in der Parfumerie. Auch bekannt als die „Sünde der Nacht“, offenbart die dunkle Schönheit zu Nachtzeiten ihre ganze Pracht. Und was ist mit der legendären Surinam-Rose und dem zarten, verträumten tibetischen Blaumohn, der in 2000 Metern Höhe blüht? Der Natur mangelt es sicher nicht an verführerischen Bouquets, welche die Sinne betören. Die nachfolgenden Blumen und im speziellen ihre Blüten gehören zu den seltensten, teuersten oder verführerischsten Inhaltsstoffen bei der Herstellung von Parfum.

Weiße Ingwerlilie

Diese Blume stammt aus dem Himalaya zwischen Indien und Nepal, wo sie unter dem Namen „Dolan Champa“ bekannt ist. In der indischen Tradition wird sie mit Ganesh, dem Elefantengott, in Verbindung gebracht, und in Maharastra (der Region Mumbai) ist sie während des Ganesh Chaturti - einem 10-tägigen Fest zu Ehren der Gottheit - in allen Tempeln, Häusern und öffentlichen Einrichtungen zu finden. Sie ist die Nationalpflanze Kubas, wo sie sowohl wild als auch in Gärten vorkommt. Aufgrund ihrer Schönheit und der Anmut ihrer Form und Farben wird sie auch als Schmetterlingslilie bezeichnet und Frauen trugen sie während der Kolonialzeit als Schmuckstück im Haar oder als Halskette. Neben ihrer Verwendung bei der Herstellung von Parfum, wird sie auch in Salaten, Suppen, Teeaufgüssen und zu Arzneimittel verarbeitet.

Botanischer Name: Hedychium Coronarium

Duftnote: wohlriechend, mit würzig-herben Akzenten und der charakteristisch fruchtigen Note sonniger Exoten

Parfums: No.12 Bousval by Maison Louis Marie, White Lotus by TRNP, Kingdom Botanica by Kingdom Scotland

„Königin der Nacht“

Eigentlich kein Inhaltsstoff sondern eher Inspirationsquelle für angelehnte Düfte fasziniert die Königin der Nacht” Botaniker und Parfumeure gleichermaßen. Der auf den karibischen Inseln und in Südamerika beheimatete Kaktus ist ein Epiphyt, der auf Bäumen und Felsen nach Licht strebt. Er hat Luftwurzeln und sieht daher ganz und gar nicht wie der typische Kaktus in Wildwest Filmen aus. Untypisch auch seine sehr großen, weißen Blüten - bis zu 35 cm im Durchmesser - die ihren betörenden Duft ausschließlich im Mondlicht und nur an bestimmten Sommerabenden verströmen und bereits bei Morgendämmerung verwelken. Wohlgemerkt nur einmal im Jahr!

Mit einem Radius von bis zu 100 Meter ist sein Duft einer der stärksten im Pflanzenreich. Tatsächlich ist die Herstellung eines „Duftzwillings” der Pflanze eine teure Angelegenheit: Zur Nachahmung wird echte Vanille verwendet, da diese dem Duft ähnelt. Während Vanille in ihrer ursprünglichen Heimat in Mittelamerika von Kolibris und bestimmten Insektenarten bestäubt wird, muss sie anderswo aufwendig von Hand befruchtet werden. Die Vanilleschoten reifen dann neun bis zehn Monate am Baum, werden anschließend per Hand geerntet und mit heißem Wasser übergossen. Danach werden sie im Laufe von mehreren Monaten luftgetrocknet. Ein aufwendiges Verfahren, das sich entsprechend im Preis niederschlägt. So ist ein Kilogramm Vanille sogar teurer, als ein Kilogramm reines Silber.

Botanischer Name: Selenicereus Grandiflorus

Duftnote: unverwechselbarer, dichter und honigartiger Geruch mit einem starken Vanille Aroma und einem kleinen Hauch Weihrauch sowie üppigen, fruchtigen Akzenten

Parfums: Cierge de Lune by Aedes de Venustas, Alien Flora Futura by Mugler, Dior Addict by Dior

Grasse-Rosen

„Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose…“, dieser berühmte Aphorismus von Gertrude Stein, einer der bekanntesten Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts, drückt lediglich aus, dass die Rose unter allen Blumen einzigartig bleibt. Die Rose ist in der Tat die am häufigsten verwendete Blume in der Parfumerie, und das seit Jahrtausenden. Die berühmte Rose von Grasse wird seit Jahrzehnten in der südfranzösischen Wiege der Parfumerie angebaut. Sie wird auch Mai-Rose genannt, weil sie nur in diesem Monat und nur 3 Wochen lang am frühen Morgen von Hand gepflückt wird.

Jede Blüte muss einzeln abgeschnitten, in Weidenkörbe gelegt und dann sofort zu einer Destillerie gebracht werden. Wichtig, die zarten Blütenblättern dürfen nicht gepresst werden! Für die Herstellung von 1 Kilogramm Essenz werden 3-5 Tonnen Blüten benötigt! Es ist unmöglich, ihren Duft künstlich zu reproduzieren. Ähnlich wie eine Haute Couture-Kreation besondere Stoffe erfordert, braucht auch ein legendäres Parfum edle Inhaltsstoffe. So soll Coco Chanel 1921 gesagt haben: „Ich will keinen gewöhnlichen Rosen- oder Maiglöckchenduft, ich will ein kunstvolles Parfum.” Es war die Geburtsstunde von Chanel No. 5, in dessen Herz(note) die Mai-Rose aus Grasse blüht, mit ihrer intensiven Duftkraft, gepaart mit Jasmin und anderen 78 floralen Nuancen. „Wir haben einen Ausdruck, 'la fleur au flacon', die Blume im Flakon, um Chanel No. 5 zu definieren”, erklärt Olivier Polge, Chefparfumeur bei Chanel.

Botanischer Name: Rosa centifolia

Duftnote: warm-süßer Duft mit honig- und wachsartigem Aroma

Parfums: Chanel N° 5 by Chanel, Miss Dior by Dior, Radical Rose by Matiere Premiere

Tuberose

Ursprünglich in Mittelamerika beheimatet und von den Azteken kultiviert, wurde die Tuberose im 16. Jahrhundert in Europa, insbesondere in Frankreich, eingeführt. Sie blüht in der Nacht und verströmt einen Duft, der so stark ist, dass er schon aus mehreren Metern Entfernung wahrgenommen wird. Früher als „Parfummätresse“ (meretrice della profumeria) bezeichnet, weil ihr Duft so intensiv ist, dass er fast narkotisch wirkt, war es im viktorianischen England jungen Mädchen verboten, mit diesen Blumen in Berührung zu kommen oder abends Tuberosengärten zu besuchen, weil man befürchtete, sie könnten vom berauschenden Duft dieser Blumen verführt werden. Die Blüten der Tuberose blühen zwischen Juli und September und werden nachts noch in der Knospe von Hand geerntet. Tuberose Absolue ist einer der teuersten Rohstoffe in der Parfumerie. Es werden circa 3600 kg an Blüten benötigt, um die kleinste Menge (0,5 kg) Absolue zu gewinnen.

Botanischer Name: Agave polianthes

Duftnote: berauschender Duft mit würzig-cremigen sowie exotischen Akzenten

Parfums: Tuberosis by Laboratorio Olfattivo, My Way by Giorgio Armani, So Scandal! by Jean Paul Gaultier

Jasmin

Als Kind pflückte ich in der Morgendämmerung zwischen Daumen, Zeige- und Mittelfinger eine porzellanweiße Jasminblüte nach der anderen, deren zarter, grüner und leichter Duft mich berauschte. Gegen Mittag lockten die letzten weißen Blütenblätter mit einem warmen Duft von Orangenblüten und am Abend verströmten die vergessenen und vergilbten Blüten einen schönen, animalischen und tiefen Duft. Auch wenn sich sein Geruch mit dem Tagesrhythmus änderte, so änderte sich sein Charakter nicht“, beschreibt Parfumeur Jean Claude Ellena den „König der Blumen”. Das Wort „Jasmin“ stammt vom persischen Wort „Yasmine“ ab und bedeutet Duft. Jasminblüten sind unglaublich zerbrechlich und müssen nach dem Pflücken in speziellen Körben aufbewahrt werden, um die Blütenblätter vor Quetschungen zu schützen. Für die Gewinnung von nur 1 kg Absoluextrakt durch Enfleurage werden etwa 750 kg Blüten benötigt.

Botanischer Name: Jasmin grandiflorum

Duftnote: berauschend, würzig, leicht süß, fruchtig und natürlich wunderbar animalisch

Parfums: Jasmin De Pays by Perris Monte Carlo, Jasmin Rouge by Tom Ford, White Jasmine & Mint by Jo Malone London

Narzisse

Die Echte Narzisse, auch Weiße Narzisse oder Dichter-Narzisse genannt, ist in Südeuropa und Nordafrika heimisch, wo sie in einer Höhe von 300 bis 1600 Metern über dem Meeresspiegel auf fruchtbaren, kühlen Wiesen und an schattigen Hängen wächst, aber auch an sonnigen Hängen sind, große Kolonien zu finden. Der genaue Ursprung des Begriffs Narzisse ist nicht bekannt. Neben der Assoziation mit dem griechischen Wort „narke“, das narkotisch bedeutet – ein Begriff, der gut zum Duft dieser Blume passt – wird sie häufig auch mit dem griechischen Mythos von Narziss in Verbindung gebracht – einem hübschen Jüngling, der sich in sein eigenes Spiegelbild verliebte, als er es in einem Teich sah, hineinfiel und ertrank. Es wird angenommen, dass die Pflanze an der Stelle wuchs, an der er starb. Für das Juwel von Wald und Flur bezahlt man einen hohen Preis: Man braucht fast 500 kg Blüten, um 300 g Absolue zu erhalten!

Botanischer Name: Narcissus poeticus

Duftnote: reichhaltig, berauschend, würzig und animalisch mit grünen, honig- und heuähnlichen Noten

Parfums: Narcissus Poeticus by Chloé, Poeticus by Fleurage, Peur de Rien by Givenchy